sacro bosco.kanzlerpark?

Das Ufer – Wäldchen auf dem Moabiter Werder, 1993

Zur Erinnerung an einen kleinen wilden Wald inmitten von Berlin, genannt sacro bosco, das Wäldchen auf dem Moabiter Werder, Biotop erster Güte, ausgelöscht, zerhackt, zerstückelt, seines Zaubers beraubt – für einen sogenannten „Kanzlerpark“, der ein Hubschrauberlandeplatz wurde und weiter verbaut wird. Im Namen der Bundesregierung wurden alle einstimmigen Beschlüsse und Appelle des Bezirkes Tiergarten und der Naturschutzverbände negiert, den sacro bosco zu bewahren und in die Planungen zu integrieren, – trotz aller offiziellen Bekundungen seitens des Bundeskanzleramtes, das Wäldchen „weitgehend zu erhalten.“ Nur kleine Reste jenseits der Mauern sind geblieben und ein paar Fotos zur Erinnerung.

letzte Tage, 1997

Es war einmal ein Sacro Bosco mitten in Berlin. Lange kümmerte sich niemand darum, und das war gut so. Das Gelände des im Krieg zerbombten Hamburg-Lehrter-Güterbahnhofes entlang der Spree war sich selbst überlassen, die Natur konnte sich frei entfalten und zu einem kleinen Paradies heranwachsen, völlig ungestört, ohne jeden menschlichen Eingriff. Dazu gehörte eines der letzten naturbelassenen Ufer der Spree, mit einer ersten Bepflanzung aus Spendengeldern von Eleonore Roosevelt. Danach war hier niemand mehr zuständig, kein Gärtner, kein Säen, kein sägen oder Düngen, nichts. Die Natur holte sich nach und nach die Stadtbrache zurück und  brachte sich selbst hervor, auf den Rudimenten der Zeit, verwachsen mit alten Baracken und Gärten, mit wildem Wein, Hopfen und Rosen, überwuchert die Schienen und all der Schrott, der sich ganz in diese freie, wilde Schönheit fügte.

Der Moabiter Werder glich einer Insel, die sich vom Ufer der Spree im alten Urstromtal zur Reichsbahn hin erstreckte, östlich begrenzt vom Packhof an der Moltkebrücke,  und westlich von der Spedition Hamacher an der Lutherbrücke, schräg gegenüber vom Schloss Bellevue. Nur an den Rändern herrschte Betrieb, verschiedenstes Gewerbe fand im Bahngelände günstigen Raum, und die Jungen und Mädchen aus dem benachbarten Kiez lockten Freiheit und Abenteuer hierher. Brombeeren, Erdbeeren, Hühner und Enten, die Pferde der Kutscher,  dazwischen die Gleise, die über blühende, wogende Wiesen zum Wäldchen hin führten, dem Herzstück,  ein Refugium. Nur wenige Menschen verirrten sich hierher. Manche Obdachlose fanden zur Sommerzeit ungestörten Unterschlupf; Bussarde brüteten hier und Füchse und Nachtigallen waren so zahlreich wie an keinem anderen Ort Berlins.

Ein schmaler, versteckter Pfad schlängelte sich durch das Wäldchen,  das, obwohl nur 2,4 ha groß, im Innern als ein einzigartiger, unendlicher Kosmos erschien, der Stadt ganz entrückt und doch mittendrin.   Robinien, Espen, Schwarz- und Silberpappeln, Holunder, Birken, Hopfen und viele mehr waren ein kleiner wilder Wald geworden, ein Dschungel, wo  Lianen sich von Baum zu Baum schlangen, mit einer Lichtung, wo rot der Fingerhut leuchtete.  Wegen seines besonderen Zaubers wurde das Wäldchen Sacro bosco, der Heilige Hain, genannt, als Anfang der 90er Jahre eine Bundesgartenschau auf dem Gelände des Moabiter Werder geplant wurde, die das Wäldchen naturnah einbeziehen wollte.

Das Wäldchen und seine Ausläufer sollten fortan geschützt werden und in die damals geplante Bundesgartenschau integriert werden, gestützt von Gutachten, die den hohen Wert des Biotops bezeugten, denn seit den 80er Jahren war der Moabiter Werder im Landschaftsschutzprogramm und Artenschutzprogramm als „Vorranggebiet Klimaschutz“ eingestuft. Doch mit dem Hauptstadtbeschluss wurde dies alles hinfällig, das Kanzleramt wurde gebaut. Seine Ausläufer samt „Park“ verliefen mitten durch das Wäldchen, das dafür gerodet wurde. In der Dekade der Nachhaltigkeit.

Die  Bezirksverordnetenversammlung von Tiergarten hatte zuvor einstimmig immer wieder an das Bundeskanzleramt und die politisch Verantwortlichen appelliert, das Wäldchen zu erhalten, und es möglichst sensibel Einbeziehung in die Baupläne einzubeziehen. ebenso der Landesverband der Berliner Naturschutzverbände und Moabiter Stadtteilinitiativen.

Doch die „Bürgerbeteiligung“ war eine große Enttäuschung, eine Farce. Einstige Zusagen wurden vergessen, gebrochen: Denn das Bundeskanzleramt und Berliner Senat hatten mehrmals offiziell mitgeteilt, dass das einmalige Wäldchen auf dem Moabiter Werder „weitgehend erhalten“ werde. Doch es wurde weitgehend zerstört, die Zusagen wurden ad acta gelegt. Auf den offiziellen Seiten des Bundeskanzleramtes ist davon nichts zu finden.

Nur wenige Inselchen konnten wir vor der Rodung bewahren. Anstelle des angekündigten Kanzlerparks entstand ein Hubschrauberlandeplatz mit ein paar wenigen Bäumen, die für den jetzt geplanten Erweiterungsbau wahrscheinlich auch noch fallen werden. Denn bis 2027 soll das Kanzleramt auf dem Moabiter Werder weiter vergrößert werden: Viel zu teuer, „protzig, gigantisch“, so der Bund der Steuerzahler.

Ja, es hätte in der Tat ein wunderbarer Kanzlerpark werden können für die jeweiligen Bundeskanzler*innen, eine „beneidenswerte Möglichkeit, in einem Stück Urwald zu lustzuwandeln,..Gästen einen kleinen Ökopark im Herzen der Hauptstadt zu offerieren, sich vom Gesang der Nachtigall inspirieren zu lassen. Und das – bei minimalem Aufwand und fast ohne Kosten! “ wie Gudrun Radev 1996 im Rabe Ralf schrieb: Auch die Nachtigall will im Kanzlergarten trällern – MoabitOnline

Im Jahr 2000 wurde das Wäldchen gerodet. Wir organisierten eine letzte Aktion mit Kunst und einer Baumbesetzung, was eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch zur Folge hatte, die später zurückgezogen wurde. Davon erzählen die folgenden Bilder.

1999

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