Urwesen

Besuch am Pi. Monotypie, 2018

Mythos, Öl auf Karton, 2018

Erinnerung, Öl auf Schrankwand, 2018

Weg, Öl auf Schrankwand, 2018

Dax-Werte, Öl auf Karton und Börsenzeitung, 2018

Mit zunehmender Erkenntnis werden die Tiere den Menschen immer näher sein. Wenn sie dann wieder so nahe sind wie in den ältesten Mythen, wird es kaum noch Tiere geben.

Elias Canetti

Zwei Wisente liegen versteckt im Berliner Großen Tiergarten als lebensgroße Bronzeskulpturen von Thomas Siemering, stark, einsam und verletzlich – einer am Neuen See, ein anderer im Englischen Garten, der im Altberliner Volksmund „Garten Eden“. Hier, nahe der Mauer zum Bundespräsidialamt, begann meine Spurensuche nach dem Wisent. Jahrtausende wurde er von den Menschen gejagt, verehrt, in Höhlenmalereien verewigt, um schließlich nahezu von ihm ausgerottet zu werden: In Europa wurde der letzte frei lebende Wisent 1928 in Polen geschossen. Wissenschaftler bemühten sich, den bison bonatus aus den wenigen Tieren der Zoos mit Einkreuzungen des amerikanischen Bisons neu zu züchten, zu vermehren und auszuwildern, was auch geschehen ist im Nationalpark von Bialowicze in Polen, einem letzten Urwald Europas, der aktuell von Abholzung bedroht ist.

Der Wisent ist ein Bruder des amerikanischen Bison, dessen Schicksal bekannter ist: millionenfach wurde er seit der Eroberung des Kontinents im Kampf um das Land und gegen die Ureinwohner abgeschlachtet. Doch er hat überlebt. Im überlieferten Mythos über die weiße Büffelkuh verschiedener indigener Völker Nordamerikas bedeutet die Geburt einer weißen Büffelkuh das Zeichen der Hoffnung für die ganze Menschheit. Ende des letzten Jahrtausends hieß es, sie sei geboren worden. Doch sie war krank, so wie das Land, die Zeit.